Auch im vergangenen Jahr gab es keine Konzerte, jedenfalls nicht unter gewohnten Umständen und ohne die staatlich verordneten Auflagen. Wer sich diesen Veränderungen nicht fügen konnte, mußte eben zuhause bleiben. Das führte zudem dazu, daß Kultur in der Öffentlichkeit nun auch nur noch für eine privilegierte Personengruppe zugänglich ist.
Freilich gibt es wichtigere Dinge im Leben als Kultur (der Spiegel der Gesellschaft). Das war schon immer so in jeder Krise. Schlecht nur für Diejenigen, die finanziell von ihren Auftritten abhängig sind. Die ganze Situation seit 2019 wird natürlich auch starke Auswirkungen auf die kommenden Werke der Kunst haben, also auch inhaltliche. Ich kann mir einfach immer weniger vorstellen, Lieder über Urlaubsinseln oder Blumen zu verfassen - nun erst recht nicht.
Es bleibt abzuwarten, ob es in absehbarer Zeit wieder so sein wird wie vor 2019. Es sieht nicht danach aus, im Gegenteil, es macht den Eindruck, als stünden wirklich schwere Zeiten vor der Tür. Die Welt hat sich weitergedreht, weiter abwärts. Die Ursachen liegen in weit zurückreichenden Problemen, sind schwer zu beheben.
In den letzten Jahren fand kein Konzert von Balsamfieber statt, weil es schlicht an den ausführenden Personen mangelte und an geeigneten Auftrittsmöglichkeiten. Im Moment sind Personen in Form von Mitmusikern vorhanden, aber ein Auftritt ist aus den neuen, aktuellen Problemen nicht möglich und wäre er möglich, würde ich ihn unter diesen Bedingungen nicht machen wollen. Ein Konzert vor einem Elitepublikum? Dabei könnte ich nicht so tun, als ginge mich das alles nichts an und Hauptsache, ich darf da spielen. Es würde vor allem zu sehr nach Krise klingen, schließlich ergießen sich Emotionen in Töne, auch die negativen. Bei einem desaströsen Auftritt (nicht durch unsere Schuld) im Jahre 2008 konnte man das während einer Improvisation deutlich hören.
Vorerst wird es also nur "Hausmusik" geben wie bei einigen Anderen und ich stelle immer mal wieder neue Musik in Form von Videos ins Netz.
Im Video "Monolog" (hier >>>>>)
thematisierte ich die selbst erlebte Insolation in einem Monolog, während die Musik aus einem kleinen Instrument kommt, das zufällig den selben Namen trägt, das brachte mich auf diese Idee. Das neue Lied stammt aus der Produktion, die vielleicht einmal in ein späteres Album mündet. Somit und mit zwei weiteren neuen Stücken ist wieder ein Anfang gemacht. Neulich kam auch promt die Idee für ein neues Themenalbum. Aber das ist noch in weiterer Ferne,
es ist vorerst ein Sammeln von Ideen, wie immer bei BF.
Dann war da noch der Blick in die Vergangenheit, es ging mit zwei Videos 20 und 30 Jahre zurück. Da habe ich Bildmaterial und Videoschnipsel verwendet, um ein Stück der damaligen Alben zu visualisieren. "Farreaching Rainbow" (damals hatte der Regenbogen noch eine andere Bedeutung) bringt uns ins Jahr 1991, kurz nachdem für BF alles begann.
(Video hier: >>>>>)
"Gefinde des Lichts" ist wiederum ein völlig neues Kapitel, ein recht dunkles, das uns ins Jahr 2001 führt, es stellt das Vermächtnis der Sängerin Juana Crow dar, die 2010 starb.
(Video hier: >>>>>)
Während des vergangenen Jahres spielte ich auf 13 Liedern des Liedermachers Schwarzer mit, es war eine interessante Übung, auch mal andere Musik zu spielen. Ob es zu dem geplanten gemeinsamen Konzert kommen wird, wissen wir wegen der aktuellen Lage im Moment noch nicht. Natürlich werden die Aufnahmen nicht weggeschmissen, sondern sind dann Bestandteil des neu eröffneten Archives, wir wären dann bei "#21" angelangt, die aufwendige Grafik ist bereits fertig, siehe die nächste Überschrift.
Dazwischen gab es einige Sessions mit dem Bassisten Matthias Kallenberger, freie Improvisationen, die ebenfalls ins Archivprojekt münden. Das ist eine Seite des Musikprojektes, nämlich daß immer mal spontan, ohne Proben drauflosgespielt wird.
Da entstehen immer spannende Aufnahmen, die vielleicht sogar brauchbare Passagen für eine spätere Weiterverarbeitung enthalten, oder einfach nur ein Zeitdokument.
Dann wurde die BF-Youtube-Seite vervollständigt, alle Alben und die meisten anderen Veröffentlichungen von Balsamfieber sind nun online. (zur Youtube-Seite: >>>>>).
Im Sommer 2021 meldete sich auf meine Online-Anzeige ein weiterer Bassist, der auch Schlagzeug spielt. Bisherige Proben verliefen sehr vielversprechend und damit ließe sich endlich auch der Personalmangel beheben, wir könnten als Band mit Baß, Schlagzeug und Synthesizer wieder auf die Bühne, so die besseren Zeiten kommen. Und weil wir natürlich nicht einfach nur so dasitzen und warten, machen wir uns unverzüglich an die Arbeit, ein Live-Projekt vorzubereiten. Ich hatte derweil schon angefangen, eine Art "Best-Of-Mix" durch 35 Jahre BF vorzubereiten, den Anfang hatte ich schon 2017 gemacht mit Aufnahmen, die aber dann doch nicht so aufführbar waren. Aktuell programmiere ich die Maschinen und nehme alles so auf, daß ich es alleine plus eine Stimme aufführen kann. Nun kann ich herangehen und einfach die Stimmen, die echte Musiker spielen werden, mit deren Einspielungen ersetzen. Aktuell entwickelt sich daraus bereits eine Musik von einer Band, von der wir hoffen, das deren Musik nicht so einfach im Archiv landet, sondern dort, wo alle Menschen sie hören können, nämlich außerhalb des Wohnzimmers. Die Band ist zwar noch nicht komplett, aber sie könnte so wie sie jetzt ist, das Material live rüberbringen. Freilich dauert die Produktion dafür (es soll ja ein komplettes Konzert werden) seine Zeit und ganz nebenbei würde das wieder ein Doppelalbum füllen, welches diesmal ohne die Kompromisse fehlender Musiker umsetzbar wäre. Wenn es dann noch die Freizeit zuläßt, wird mit derselben Besetzung an neuen Stücken gearbeitet. Ein 13. BF-Album ist somit an den Start gebracht. Baß und Schlagzeug gebe ich dafür schon mal gerne in fähigere Hände. Ein Thema ist bereits da, nun gilt es wie immer, das Beste herauszuholen. Wollen und dürfen wir ein 13. Album machen?
Aktuell Anfang August besteht die Band aus Matthias Kallenberger am Baß, Jin Mi Jeong am Mikro und Mario Höll an den Tasteninstrumenten und am Mikro. Der Schlagzeuger mußte leider die Zusammenarbeit wegen gesundheitlichen Problemen absagen.
Derweil erfolgten Bewerbungen für Shows und Festivals. Termine stehen aber noch nicht fest.
Nach den Anfängen mit dem Duo "Big Fantasy" und zwei Alben auf Kassette mit einer Mini-Auflage von einer Hand voll Exemplare kam kurz nach der Wende 1990 der nächste Schritt.
Mit meinem Vater fuhr ich nach Kassel, um meinen ersten Synthesizer zu kaufen. In der Straßenbahn transportierten wir den nagelneuen Kawai K1 II zum Parkplatz am Rande der Stadt. Das Gerät (ohne Filter, mit 8-Bit-Samples und Additiven Wellenformen) sollte von nun an die Band ersetzen, weil wir die hier in der Provinz einfach nicht für unser Avantgarde-Musikprojekt fanden. Ohne die Bühne mußte also ein neues Album her. Nach der Interims-EP "A Wide Field" und einem weiterem Synthesizerkauf, den Mario Hassard tätigte, einen Kawai K4 (weil es den K1 gerade nicht gab), legten wir gemeinsam und jeder für sich los und produzierten neue Stücke. Damals benutze man ein Gerät, das auf 16 MIDI-Spuren Steuerbefehle aufnehmen konnte, die hernach wieder mit den jeweils 16 Stimmen des Synthesizers und dessen verschiedenen Klängen abspielbar waren. Eine analoge 16-Spurmaschine wäre natürlich unbezahlbar gewesen. So aber konnte man den MIDI-Mix bearbeiten und dann live mit Gesang und eventuellen weiteren Klängen auf eine Kassette aufnehmen. Passierten dabei Fehler, mußte man eben einen weiteren Durchgang machen. Immer noch hatten wir keine Ahnung von Rhythmus und Harmonie, trommelten einfach munter drauflos auf der Tastatur der Synthesizer, den Pappeimern, einer großen Karnevalstrommel und einem kaputten Becken. Die Idee, die beiden Synthesizer zu koppeln und Stimmen aufzuteilen (es gab ja nur je 16 davon), kamen wir noch nicht, so quittierten die Prozessoren der Geräte den Stimmenmangel mit vielen abgeschnittenen Tönen und seltsamen Effekten. Effekte wie z. B. Hall waren auch Mangelware. Das Tonbandgerät, von Jens Geerkens Vater, das die Halleffekte für den Gesang produzierte, war nicht immer verfügbar und so kam ersatzweise ein obskures Bausatz-Gerät zum Einsatz, das mit seinen Nebengeräuschen schon wieder eine besondere Ästhetik produzierte. Alle Stücke des knapp einstündigen Avantgarde-Werkes gingen ineinander über, oft hörte man da den Zug, der durch das komplette Programm führt oder digitale Tiere und Wind. So wird deutlich, daß es sich hier um ein Konzeptalbum handelt, das an einem Stück gehört werden wollte.
Da wir nun zwei Synthesizer hatten, die per MIDI eine ganze Band abspielen konnten, brauchten wir nur noch ein wenig dazu zu spielen und zu singen, damit wollten wir uns abwechseln, die anderen Popgruppen machten das doch auch so. Allerdings spielten diese die Synthesizer nicht, sie programmierten sogenannte Sequenzer, die dann maschinell mehr konnten als ein echter Musiker. Also doch das langersehnte Konzert? Zuvor mußten aber noch mehr Lieder her, es gab ja nur das Material des neuen "Turningpoint To Good"-Albums. Also nahmen wir per Arbeitsteilung je fünf alte Stücke von den letzten beiden Werken mit unseren MIDI-Rekordern auf. Sogar zwei neue Stücke waren dabei. So ganz nebenbei entstand also das ganz besondere Best-Of-Album "Abstract Collection" und damit auch das Ende von Big Fantasy. Das Tonbandgerät bekamen wir diesmal nicht geliehen und es blieb uns nur das schreckliche Selbstbaueffektgerät für den Gesangshall, das ein Schwerhöriger für uns gelötet hatte. Für ein Stück benutzten wir das eingebaute Mikrophon eines ausgemusterten Hörakustiker-Gerätes der HNO-Ärztin. Synchrone Spuren, tanzbare Rhythmen oder ausklingende Töne waren auch hier weiterhin Fehlanzeige. Immerhin hatten wir nun knapp zwei Stunden Material für das Konzert. Über das legendäre erste Konzert und das dritte Album hatte ich ja schon ausführlich berichtet (siehe: hier >>>>>) bzw. (hier: >>>>>),
das hier sind weitere ergänzende Worte.
Bei allen Produktionen war auch immer die optische Seite des Produktes sehr wichtig.
Nun hatten wir uns auch einen billigen Fotoapparat zugelegt, damit konnten wir nun überall ums Dorf herum Fotos machen. Torsten A. Harnos († 2011) fotografierte uns dazu in unseren selbst bemalten BF-Uniformen an ungewöhnlichen Orten. Plötzlich waren wir auch optisch voll Avantgarde und weit weg vom schlecht imitierten Popperimage. Endlich paßte das nun auch zur Musik. Die ist eindeutig deshalb so besonders, weil sie handgemacht, aber mit Synthesizern gespielt wurde und das nicht so, wie es eigentlich alle anderen damals machten. Also, Mißverständnissen vorbeugend: Jedes imitierte Instrument kam damals aus einem einzigen Gerät, da es ja keine Mehrspuraufnahme gab. Den Sequenzer benutzten wir also wie eine Bandmaschine. Die gesamte Musik von BF ist eigentlich immer für eine Band komponiert aber gespielt von ein bis zwei Mann. Wie künstliche Klaviere, Gitarren und Trommeln aus einem 80er-Jahre-Synthesizer klingen, das kann man auf diesen beiden Alben sehr gut hören.
Ich weiß auch nicht, warum wir das Konzert damals nicht auf eine Kassette aufgenommen haben, vielleicht dachten wir, es würde doch sowieso nicht besser klingen als auf den Alben. Das stimmt. Eine Videokamera gab es natürlich auch nicht und so bleiben ein paar Fotos und die beiden Alben.
Im November besteht das Musikprojekt BF nun 35 Jahre. Passend dazu soll es ein Doppelalbum geben, kein gewöhnliches Best-Of-Album, sondern eine Art Live-im-Studio-Dokumentation, für die 16 Stücke neu aufgenommen wurden. Ob dies rechtzeitig fertig ist, ist jedoch noch nicht sicher.
Sicher ist allerdings die Veröffentlichung der DVD "Live in Liquid Sound", die ab Herbst verfügbar sein wird. Hier gibt es schon Infos dazu: >>>>>
Mario Höll
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